Oftmals fühlen sich Neubeginn oder ein Ende so an:
Ich befinde mich selbst gerade in einem Transformationsprozess, und es fiel mir zu Beginn sehr schwer, Neues in meine Gedankenwelt einzuladen. Zuerst war da dieser Schock, dass sich plötzlich nichts mehr so anfühlt wie früher. Dann bemerkte ich, dass ich meine intrinsische Motivation verloren habe und dass es mich innerlich nach etwas Anderem, nach Neuem, ruft. Innerlich fühlte ich mich wie eine Versagerin und war sehr frustriert und traurig über die aktuelle Situation. Es fühlte sich nach einem Ende an – wie eine geradlinige Linie, die hier endet und danach in ein großes Nichts führt. Nichts im Sinne von Nebel, keine Antworten, Dunkelheit. Gleichzeitig sah ich meine Erfolge und dass ich die ganze Zeit eine Treppe hochgegangen bin – und nun ganz oben angekommen bin. Und plötzlich ist „da oben“ wieder Nichts – nur die unbekannte Tiefe, in die ich springen muss.
Warum fühlen wir uns oft so, wenn es um Veränderung geht?
Neurobiologisch gesehen liebt unser Gehirn Stabilität und Sicherheit, die unter anderem durch eine gewisse Vorhersehbarkeit unseres Lebens und angenehme Gefühle bestätigt wird. Denn unser Gehirn liebt es, im Energiesparmodus zu bleiben, und belohnt uns dafür mit dem Neurotransmitter Dopamin.
Stoßen wir im Leben auf Veränderungen, die von uns plötzlich andere Entscheidungen und damit neue Denk- und Handlungsweisen verlangen, ist das für unser Gehirn erst einmal eine potenzielle Bedrohung. Das Unbekannte löst Stress oder sogar Ängste aus – dafür sorgt das limbische System, insbesondere die Amygdala, die eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen, insbesondere von Angst und Wut, und bei der Bildung emotionaler Erinnerungen spielt. Es ist also eine sehr menschliche Reaktion, dass wir innerlich erst einmal nicht jubeln und feiern, wenn das Leben von uns etwas Neues verlangt. In meinen Coachings erlebe ich oft, wie wichtig es ist, dass wir lernen, diese Unsicherheiten als Teil unseres Wachstumsprozesses anzunehmen.
Da ich insbesondere in den letzten 12 Monaten durch eine weitere Transformationsphase in meinem Leben gegangen bin, habe ich selbst wieder erlebt, wie stark und tief Stressreaktionen und Ängste in meiner Psyche und meinem Körper verankert sind. Da ich weiß, wie wichtig es ist, immer beide Seiten in uns zu betrachten – die Licht- und die Schattenseiten – habe ich versucht, mir selbst die Definition von Neubeginn und Ende angenehmer zu gestalten.
Ich saß also eines Morgens in der warmen Sonne am Küchenfenster mit meinem Flat White und fing einfach an, in mein Tagebuch zu scribbeln. Ich hatte keine Worte, aber Bilder für meine aktuelle Situation. Anstatt meine Lebensphasen wie eine gerade Linie oder Treppenstufe zu betrachten, möchte ich sie als Kreis, als Zyklus sehen. Denn gerade wenn wir mitten im Veränderungsprozess stecken, können wir oftmals gar nicht sofort erfassen, was genau nun zu Ende geht und was neu wird – zumindest was unsere innere Welt betrifft.
Die zyklische Natur des Wachstums
Auch in der Psychologie spricht man von der zyklischen Natur des Wachstums und beschreibt die Idee, dass das Leben und persönliche Entwicklungen oft nicht linear, sondern in Zyklen verlaufen. Wachstum und Entwicklung sind keine linearen Prozesse, sondern oft zyklisch, wobei beispielsweise alte Muster enden und neue beginnen. Das Gefühl, das wir oft haben, dass nach dem Ende nichts mehr kommt, spiegelt die Unsicherheit wider, die mit Übergangsphasen einhergeht. In Wirklichkeit jedoch steht das „Nichts“ für das Unbekannte, das neue Potenzial, das darauf wartet, entdeckt zu werden.
Diese Sichtweise ist eng mit dem Konzept der Lebensphasen verbunden, wie sie von Entwicklungspsychologen wie Erik Erikson beschrieben wurden. Erikson meint, dass wir im Laufe unseres Lebens verschiedene Entwicklungsphasen durchlaufen, und jede Phase bringt Herausforderungen mit sich, die gelöst werden müssen, um sich weiterzuentwickeln.
Das Ende einer Phase ist daher nie wirklich ein Ende, sondern immer der Beginn einer neuen Phase mit neuen Herausforderungen und Möglichkeiten.
In vielen Kulturen und spirituellen Traditionen steht der Kreis für Kontinuität, Ganzheit und den Kreislauf des Lebens. Psychologisch gesehen symbolisiert der Kreis, dass das, was als Ende erscheint, oft nur der Anfang eines neuen Zyklus ist. In einem zyklischen Modell ist jedes „Ende“ ein Punkt, an dem man innehalten, reflektieren und sich auf die nächste Phase vorbereiten kann.
Lebensübergänge und Transformationsphasen
Psychologen wie William Bridges haben spezifisch über Lebensübergänge und deren psychologische Auswirkungen geschrieben. Bridges beschreibt in seinem Modell drei Phasen eines Übergangs:
Das Ende: Diese Phase ist gekennzeichnet durch das Loslassen der alten Identität oder/und der alten Lebensweise. Es ist oft eine Phase des Verlusts, der Trauer oder des Abschieds.
Die neutrale Zone: Das ist eine Phase des Übergangs, in der man zwischen der alten und der neuen Identität oder Lebensweise steht. Diese Phase kann verwirrend, chaotisch und unangenehm sein, ist aber auch eine Zeit der Reflexion und der inneren Umstrukturierung.
Der Neuanfang: Schließlich erreicht man die Phase des Neuanfangs, in der man eine neue Identität annimmt oder eine neue Lebensweise beginnt. Diese Phase ist durch neues Wachstum, Energie und eine Wiederentdeckung der eigenen Motivation gekennzeichnet.
Und um diesen Gedankengang noch zuversichtlicher abzuschließen, ist hier noch ein weiteres Bild für Transformationsphasen – die Spirale. Ein bekanntes Modell ist das Modell der „Spiral Dynamics“ von Don Beck und Chris Cowan, das auf den Theorien von Clare Graves basiert. Es beschreibt die Entwicklung des Bewusstseins in einer spiralförmigen Bewegung, bei der sich Menschen durch verschiedene Werte- und Bewusstseinsebenen bewegen. Jede Stufe ist eine Erweiterung der vorherigen und bietet neue Herausforderungen und Möglichkeiten für Wachstum.
Für mich sind diese Bilder Balsam für die Seele, und ich hoffe, dass sie dir auch einen Perspektivwechsel und Hoffnung schenken und dich darin unterstützen, deine aktuelle Herausforderung anzunehmen und anzupacken.
So, let’s be kind to ourselves.💜
Wissen beruhigt unser Nervensystem, da es uns eine Erklärung für unseren aktuellen Zustand gibt und uns so ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Die Situation zu „reframen“ klappt jedoch nur, wenn wir auch unsere Emotionen zulassen und uns trauen, das zu fühlen, was gerade gefühlt werden will. Ich erinnere mich immer wieder daran, dass mir meine Erfahrungen niemand mehr nehmen kann und dass es das größte Geschenk sein kann, diese genauer zu betrachten, anzuerkennen und wenn möglich nutzbar zu machen.
Die zyklische Natur von Wachstum und Entwicklung ist ein tief verwurzeltes Konzept, das in vielen psychologischen Theorien und Modellen zu finden ist. Es betont, dass Veränderungen keine linearen Prozesse sind, sondern dass nach jedem Ende ein Neuanfang folgt. Dieser Übergang ist oft mit Unsicherheit und innerem Wachstum verbunden. Indem du diese Zyklen erkennst und akzeptierst, kannst du den Prozess des Wandels besser navigieren und die neuen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, mit größerer Zuversicht und Offenheit annehmen.
Hier sind noch meine 3 wichtigsten Transformationsbegleiter, die meiner Meinung nach wichtig für einen erfolgreichen Wandel sind:
Selbstreflexion & Achtsamkeit
Selbstreflexion ist ein zentraler Bestandteil jeder Transformation. Sie ermöglicht es uns, unsere aktuellen Denkmuster, Verhaltensweisen und Emotionen zu erkennen und zu hinterfragen. Achtsamkeit kann dabei helfen, im Moment präsent zu bleiben und die inneren Prozesse bewusst wahrzunehmen, ohne sofort zu urteilen. Dies schafft Raum für neue Perspektiven und fördert die Fähigkeit, mit Veränderungen umzugehen. Techniken wie Meditation, Tagebuchschreiben oder gezielte Reflexionsübungen können hierbei sehr hilfreich sein.
Unterstützende Netzwerke und Beziehungen
Kein Mensch durchläuft eine Transformation völlig alleine. Unterstützende Netzwerke, sei es durch Freunde, Familie, Mentoren oder professionelle Coaches, sind von unschätzbarem Wert. Diese Menschen bieten nicht nur emotionalen Rückhalt, sondern können auch wertvolle Einsichten, Ratschläge und Motivation bieten. Ein starkes soziales Netzwerk hilft dabei, die Herausforderungen des Wandels zu bewältigen und ermutigt dazu, den neuen Weg weiter zu verfolgen.
Zielsetzung und Vision
Ein klar definiertes Ziel oder eine Vision für die Transformation ist entscheidend. Es hilft, den Prozess zu strukturieren und gibt eine Richtung vor, in die man sich bewegt. Ohne klare Ziele kann es leicht passieren, dass man sich in den Herausforderungen des Wandels verliert. Diese Ziele sollten realistisch und in kleinere, erreichbare Schritte unterteilt werden, um den Fortschritt kontinuierlich zu messen und sich auf die nächsten Schritte vorzubereiten.
Ich freue mich auf deine Gedanken und Erfahrungen zum Thema „Neuanfänge: Wenn das Ende erst der Anfang ist“ - schreib mir gern.
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